Entstehung der Bruderschaft

Das Schützenwesen entsteht

Spätestens zu Beginn des 15. Jahrhunderts werden Schützenbruderschaften und -Gilden in Dekanat Neuss gegründet. Die Satzung der St. Sebastianus-Bruderschaft Neuss vom Allerheiligentag 1415 ist noch vorhanden. Zu dieser Zeit bestand wahrscheinlich auch schon die St. Bruderschaft in Büttgen. 1452 wird eine Stiftung von 39½ Morgen Land an die Sebastianus- Bruderschaft in Kaarst in Dokumenten erwähnt; die Bruderschaft wurde allerdings mit Sicherheit früher gegründet.

Wichtig für die Entstehung des Schützenwesens ist das Aufblühen der Städte im späten Mittelalter und das Entstehen eines wirtschaftlich und politisch mächtigen Bürgertums. Bürger und Bauern waren verpflichtet, sich standesgemäß mit Waffen auszurüsten, um die in unruhigen Zeiten erforderliche Selbstverteidigung der Städte und Dörfer zu gewährleisten. Um diese Verteidigung auch wirkungsvoll zu leisten, waren Schiessübungen notwendig – „Schützen“ heißt „Schießen“. Durch das gemeinsame Üben auf den Schiessplätzen vor den Städten und Dörfern entstanden Vereinigungen, Gemeinschaften, die von den Landesherren unterstützt wurden. Dir Schützengaben sich Statuten, die denen der bereits bestehenden Zünfte oder der seit der Karonligerzeit existierenden kirchlichen Bruderschaften ähneln. Besonders die Schützenbruderschaften haben durch ihre Einordnung in die Bruderschaftstradition der Kirche die religiöse Gemeinschaft betont.

Für die Landesherren war die Förderung des Schützenwesens durch die Erteilung von Privilegien oder durch Geld- oder Schützenwesen durch die Erteilung von Privilegien oder durch Geld- oder Landschenkungen aus militärischen Überlegungen sehr wichtig: Seit Ende des 15. Jahrhunderts gewann das „Fußvolk“ im Heer wegen der Wirkung neuer Waffen, wie z.B. der Armbrust gegenüber den Rittern wieder an Bedeutung. Für Polizeidienst in den Städten auf dem Lande waren geschickte Schützen ebenfalls sehr nützlich, um die umherstreuenden Räuberbanden zu fassen oder auf Festen für Ordnung zu sorgen.

Die Rechte und Pflichten der Schützen
Die Mitgliedschaft in den Schützen- Bruderschaften war freiwillig, aber sie stand nicht jedem offen: nur ehrenhafte Männer konnten Schützen werden; manchmal wurde Hausbesitz oder Besitz des Stadtrechtes verlangt. Zu den Pflichten der Schützen, die sich als Zeichen der christlichen Verbundenheit in Bruderschaften zusammentaten, gehörten – außer der Teilnahme an den Schießübungen, die der “Wehrertüchtigung“ dienten – vor allem Verpflichtungen zur Teilnahme an der Fronleichnamsprozession und am Patronatsfest sowie zum Kirchgang. Neben Fronleichnam und Patronatsfest war das „Königsschießen“ Höhepunkt des Bruderschaftslebens. Um die Pfingstzeit wurde die Vogelrute – meist außerhalb der Stadt oder des Dorfes – aufgebaut; nur die Schützen selbst und die Landesherren durften um die Königswürde schießen. Für die Zuschauer und wartenden Schützen wurden Getränke und Spiele angeboten: das Schützenfest entstand. Die Königskette war äußeres Zeichen des Königsamtes, obwohl die Tradition und Pflicht, dass jeder König die Kette um ein Schild ergänzte, sich erst im 17. Jahrhundert durchsetzte. Das heutige Bild der Schützen mit Jäger- und Soldatenuniform stammt aus dem 18. Jahrhundert; bis dahin trugen die Schützen ihre normale Tracht.

Während der napoleonischen Besatzung und der Befreiungskriege konnten die Bruderschaften weiterleben, allerdings ohne Vogelschuss. 1794 verbot die französische Besatzungsmacht die Schützen- Bruderschaften und Gilden, doch war der Druck der Bevölkerung so stark, dass bereits 1800 das Verbot wieder aufgehoben wurde. Als das Königsschießen wieder möglich wurde und das Schützenwesen wieder aufblühte, entstand, vor allem im Rheinland, das Schützenfest als Volksfest um das religiöse Fest und dem Schießwettbewerb herum. Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Blumenhörner und das Schmücken der „Residenzen“ hinzu; leibenswürdige Verzierungen, die allerdings auf keiner Tradition basierten.

Die Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. und den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts änderte manches im Leben der Schützen. Überall musste das Patronatsfest auf einen Sonntag verlegt werden, da Arbeiter und Angestellte nicht während der Woche feiern durften. Nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Verwaltung sahen das Feiern sehr skeptisch an. Bismarck, allerdings, bescheinigte den Schützen, dass sie mit Sängern und den Turnern den Einheitsgedanken hatten.

Nach dem ersten Weltkrieg in der Zeit der französischen Besatzung mussten die Schützen ihre Aktivitäten einschränken; ihr Besitz wurde Nationaleigentum. Unter anderem waren es die Verbindungen zwischen den Bruderschaften aus dieser Zeit die 1928 zur Gründung des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften als Erzbruderschaft der Sebastianer mit Sitz im Dom von Köln führten. Die Devise der Schützen: „Glaube, Sitte, Heimat“. Wurde der Gründung formuliert.

Wenige Jahre später, in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, wurden die Schützen- Bruderschaften nach einer Phase der Anpassung zur innerkirchlichen Existenz und dann, Ende 1936, auf Anordnung des Reichssportführers zur Auflösung gezwungen. Als Ersatz fungierte der Deutsche Schützenverband, dessen Ziele neben der Wehertüchtigung doch noch die Traditionspflege erfassten. Die kirchliche Anbindung und die Wahrnehmung von Pflichten religiöser Art waren nicht mehr möglich. Vielerorts passten sich traditionsreiche Bruderschaften den politischen Verhältnissen an und verzichteten damit auf einen wesentlichen Bestandteil ihrer bisherigen Existenz. Allerdings war schon im 19. Jahrhundert eine zunehmende „Verweltlichung“ ursprünglich kirchlicher Bruderschaften festzustellen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde schnell die Erlaubnis zur Neugründung der Bruderschaften von den Alliierten erteilt: Das Schützenleben konnte wieder aufleben.

Die St. Sebastianus- Bruderschaft Büttgen
Genau lässt sich das Gründungsjahr der St. Sebastianus- Bruderschaft in Büttgen nicht mehr feststellen. Obwohl 1415 als Gründungsjahr festgelegt und gefeiert wurde, liegt die Gründung wahrscheinlich noch etwas früher. Der Amtmann von Leidberg hatte über die Büttger und Kaarster Schützen Befehlsgewalt. In Kriegszeiten wurden sie zur Bewachung der Landherren, Hamaien und Burgen sowie zur Ergreifung umherstreifender Söldner eingesetzt. In Friedenszeiten hatten sie ordnungspolizeiliche Funktionen etwa auf großen Märkten oder zur Festnahme von Räuberbanden.

Die Geschichte der Bruderschaft ist selbstverständlich eng mit der Geschichte der Pfarrei Büttgen verbunden. Die Pfarrgemeinde, die schon im Jahre 800 erwähnt wurde, umlegte damals Büttgen sowie Kleinenbroich (und alle dazugehörenden kleineren Ortschaften) und so waren beide Dörfer auch in der Bruderschaft vereint, allerdings offensichtlich nicht ohne Querelen.

Im Vorstand der Bruderschaft hatte man spätestens Anfang des 18. Jahrhunderts einen Modus gefunden, um miteinander auszukommen. Es gab zwei Brudermeister und Bruderschultheisse (stellvertretende Brudermeister, die unter dieser Amtsbezeichnung heute nicht mehr existieren), Die Büttgener; eine Regelung, die in der Satzung im noch erhaltenen Bruderschaftsbuch enthalten ist, das im Februar 1942 angelegt wurde. Ein Symbol des schwierigen Zusammenlebens ist die 1714 abgeschaffte „Kiste“, in der das Schützensilber und die Bruderschaftsbücher aufbewahrt wurden; sie hat drei verschiedene Schlösser und konnte nur geöffnet werden, wenn der Büttgener Brudermeister, der Kleinenbroicher Brudermeister und er für Ausgleich sorgende gemeinsame Pastor als Präses – denen die Schlüssel anvertraut wurden – anwesend waren. Zehn Jahre nach Anschaffung der Kiste trennten sich die Bruderschaften doch: Die Kleinenbroicher erschienen nicht zum Patronatsfest. Der Grund: Die Büttgener hatten ein Auseinanderleben der Bruderschaften nicht durch Finanzieren von besonderen Fahnen und einer zweiten Vogelrute für die Kleinenbroicher noch fördern wollen. Seit 1786 feiern die Büttgener und Kleinenbroicher getrennt.

Durch zwei noch erhaltene Bruderschaftsbücher von 1742 und 1843 und durch Teile des Schützensilbers, die bis Anfang des 17. Jahrhunderts zurückgehen, besitzt die St. Sebastianus Bruderschaft wichtige, historische Zeugnisse. Die vor 1631 entstandenen Silberplaketten der Königskette sind vermutlich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeschmolzen worden; daraus ist ein Schützenvogel entstanden, der die Königskette schmückt.

Die Bruderschaftsbücher geben unter anderem Auskunft über die Pflichten der Bruderschaftsmitglieder und –amtsträger. Oder die allgemein übliche Pflicht zur Teilnahme am Patronatsfest (im Falle des Hl. Sebastianus 20. Januar) und an der Fronleichnamsprozession waren die Mitglieder der Büttgener Bruderschaft zur Teilnahme am Bruderschaftsessen zu Frohnleichnam, am Vogelschusstag und an der Beerdigung verstorbener Mitglieder verpflichtet. Die Gemeinschaft, die der letztgenannten Pflicht deutlich wird, ist heute noch ein wichtiges Element des Bruderschaftslebens. Kam ein Mitglied drei Jahre lang diesen Pflichten nicht nach, wurde es ausgeschlossen. Wer am Patronatstag die Messe versäumte, aber am Festessen teilnahm, musste zur Strafe zwei Maß Wachs stiften. Schließlich – wie überall im Schützenwesen – war die persönliche Ehrenhaftigkeit der Bruderschaftsmitglieder Bedienung.

„Wann einer von besagten Bürgern sich sollte unzulässig verhalten, als nemblich im Ehebruch, Hurerey, Dieberey undt vorsätzlicher Totschlag so mit gutem Gewissen dargethan und bewiesen werden kann, und waß sonsten dießer löblichen Bruderschaft zuwieder ist, derselbiger sollte alßo balt zu seinem selbsten schaden undt schimpf auß dießem Buch undt länger nit gelitten werden.“
Bis zum 20. Jahrhundert blieb die Satzung der Bruderschaft in allen wesentlichen Punkten unverändert.
Ende des 19. Jahrhunderts verselbständigte sich die Bruderschaft. Nach der Trennung konnten die Bürger immerhin fast zwanzig Jahre noch den Königsschuss auf dem traditionellen Platz in Vorst durchführen.

Intern wurde das Leben der Bruderschaft im 20. Jahrhundert durhc die Abspaltung der Holzbüttger Schützen, die sich 1928 vollzog, zunächst geprägt. Von außen wurde es durch die politische Situation und durch zwei Weltkriege noch stärker beeinflusst. Erstmals 1913 mußte ein König gewählt werden, weil der siegreiche Schütze wegen Einberufung sein Amt niederlegen musste. Zwei Jahre später beschloss die Bruderschaft, das Königsamt bis Kriegsende auszulosen. Als 1921 wieder das Vogelschießen – mit offizieller Genehmigung – stattfinden sollte, Überfielen französische Besatzungssoldaten den Zug und verprügelten die Schützen. Erst 1925 fand das Königsschießen im harmonischen Raum statt.

In den 30er Jahren beteiligte sich die Bruderschaft auf Anraten des Zentralverbandes der historischen Schützenbruderschaften und als Kompromiss um „durch Nachgeben in Äußerlichkeiten die innere Substanz … zu bewaren“ (Haas) am Deutschen Schützenbund. 1936 mußte die Bruderschaft aufgelöst werden. 1947 wurde die St. Sebastianus- Bruderschaft wieder gegründet. Sie ist im Leben der katholischen Gemeinde ein wichtiger Faktor und widmet sich den drei Leitidealen: Glaube, Sitte, Heimat durch zahlreiche Aktivitäten, wie die Jahresprogramme beweisen. Vor allem durch eine heimatgeschichtliche Schriftenreihe hat die Büttgener St. Sebastianus- Bruderschaft in der allgemeinen lokalhistorischen Forschung eine breitere Aufgabe gesucht.

Die St. Eustachius Schützenbruderschaft Vorst
Nicht nur Büttgen und Kleinenbroich waren in der Aldegundis Pfarrei zu Büttgen vereint, sondern auch Vorst, Holzbüttgen und Driesch. Die Büttgener Sebastianus Bruderschaft vereinigte also auch die Schützen der Pfarre, die sich zur Teilnahme an den Festen und Gottesdiensten regelmäßig auf den Weg nach Büttgen machen mussten. Der Schießplatz der Sebastianus Bruderschaft war allerdings in Vorst auf einem der Bruderschaft gehörenden Grundstück, das heutige „An der Schießrute“.

Als im 19. Jahrhundert die kleineren Ortschaften der damaligen Gemeinde allmählich zu Wachsen begannen, wuchs auch der Wunsch der Bevölkerung nach eigenen Schützenvereinen. Die Entfernung von einigen Kilometern machte die Bildung einer Gemeinschaft – eben einer „Bruderschaft“ im Alltag – schwer. Allerdings stand in Vorst keine Pfarrkirche, sondern eine Kapelle, die zwar Ziel von Wallfahrten zu den dort verehrten 14 Nothelfern war, aber eben nicht in der Lage, eine kirchliche verbundene Schützenbruderschaft als Pfarre aufzunehmen.

Die Vorster Schützen gründeten 1880 einen Schützenverein. Als dessen Patron wurde einer der in Vorst verehrten 14 Nothelfer, der Hl. Eustahius, gewählt. Die Trennung von der Sebastianus- Bruderschaft erfolgte einvernehmlich und die Büttgener veranstalten weitere fünfzehn Jahre das Königsschießen in Vorst. Erst als 1923 die Pfarrkirche St. Antonius beurkundet wurde, konnte der Verein den Status einer Bruderschaft erhalten; ein Status, der erst nach dem zweiten Weltkrieg endgültig wahrgenommen werden konnte.
Im Gegensatz zu alteingesessenen Schützenbruderschaften besaß der junge Eustachiusverein wenig (Kassenbestand beim Anlegen des neuen Kassenbuches 1912: 8,14 Mark) und die Geschichte des Vereins ist von Finanznöten geplagt.

Wie allen anderen Schützenbruderschaften war das Vereinsleben der Vorster Schützen im 20. Jahrhundert durch Krieg, Besatzungen und Verboten geprägt, doch lebte der Verein weiter. 1946 offiziell zur Bruderschaft und in den Bund der historischen Bruderschaften aufgenommen. 1980 konnte die Bruderschaft das hundertjährige Jubiläum feiern.

Eine Besonderheit des Vorster Schützenlebens bis Anfang der 60. Jahre war das Pferderennen, das Montags stattfand und das Vorster Schützenfest im weiten Umkreis bekannt gemacht hat. Die um die Wette trabenden und galoppierenden Pferde waren in der überwiegenden Mehrzahl Arbeitspferde; die Rennbahnen ein Feld des Reitervereins Wattmannstraße. Als Traktoren die Arbeitspferde verdrängten, musste das Rennen eingestellt werden.

Die St. Sebastianus- Bruderschaft in Holzbüttgen
Jahrhunderte lang nahmen auch die Holzbüttger, Mitglieder der Büttgener St. Sebastianus- Bruderschaft sonntags am Patronatstag, zu Fronleichnam und zum Schützenfest den Fußweg nach Büttgen auf sich, denn in Holzbüttgen gab es wie in Vorst keine selbständige Pfarre.

Durch den Bau des Nordkanals (der nach Wunsch von Napoleon zum Schaden Hollands den Rheinverkehr ablenken sollte) Anfang des 19. Jahrhunderts und durch den späteren Bau der Eisenbahn Neuss – Viersen wuchs die Bedeutung Holzbüttgens. Ermutigt durch das Ausscheren der Vorster beschlossen die Holzbüttgener Bruderschaftsmitglieder der 30er Jahre ebenfalls sich zu verselbständigen, obwohl Holzbüttgen noch immer keine eigene Pfarre hatte und die Gründung einer Bruderschaft unmöglich war. Als Anfang wurde zunächst ein Deutscher Schützenverein gegründet. Zwar bekam Holzbüttgen 1935 eine Rektorats – Kirche, die zunächst als Notkirche in einer Holzbaracke untergebracht war und zehn Jahre später die Pfarrkirche, doch machten mit die politischen Verhältnisse es immer noch unmöglich, eine Bruderschaft mit religiöser Zielsetzung in der Kirche anzusiedeln. Erst 1950 wurde auf Vorschlag des damaligen Pastors Müller der „Deutsche Schützenverein“ aufgelöst und am 1. März die St. Sebastianus- Bruderschaft gegründet.

Die Büttgener spendeten zur Gründung die erste Plakette der Königskette, in der wurden die Namen aller Holzbüttgener, die in der Büttgener Bruderschaft die Königswürde errungen hatten, eingraviert.

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